Antwort auf städtebauliche, ökonomische und soziale Herausforderungen



Die Ausstellung Wald und Holz NRW auf der Landesgartenschau (LAGA) war rahmengebend für die Fachtagung Urbaner Holzbau, zu der das Holzkompetenzzentrum Rheinland (HKZR) Architekten und Bauingenieure eingeladen hatte. Knapp 100 Fachleute erlebten hochkarätige Referenten aus Wissenschaft und Praxis. Es wurde zum Sinn des Holzbaus in der Stadt, zu den besonderen Rahmenbedingungen im urbanen Umfeld, zu technischen Lösungen und zu Normgrundlagen vorgetragen bzw. diskutiert. Es zeigte sich: Der moderne Holzbau, kompetent umgesetzt, eignet sich hervorragend zur Entwicklung städtischer Strukturen, kann gleichzeitig Kultur stiftend sein und die Lebensqualität der Menschen erhöhen.

In seiner Begrüßung wies Horst-Karl Dengel vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW nochmals auf das komplett aus Holz gefertigte Seebadgebäude als Veranstaltungsort in Zülpich hin. Vom Land gefördert, steht es für den in NRW politisch gewünschten Ansatz, Holz vermehrt stofflich einzusetzen. Albert Bergmann, Bürgermeister der Stadt Zülpich bekannte sich in seinem Grußwort zum Holzbau als eine Facette nachhaltigen Handelns im kommunalen Umfeld und dankte für die Unterstützung durch das Land. Im fachlichen Teil fragte Prof. Ludger Dederich, Abt. Holzbau Hochschule Rottenburg einleitend, ob die Stadt der Zukunft angesichts größeren Zuzugs in die urbanen Zentren unbewohnbar oder zumindest unwirtlich wird. Die Städte brauchen mehr Wohnraum, das ist Fakt. Gleichzeitig gibt es das Bedürfnis des Menschen nach Naturnähe. Schon in den 1930’er Jahren wurde demgegenüber vom „Steinernen Berlin“ als Negativbeispiel für das Wohnen in zunehmend menschenfeindlicher Umgebung berichtet. Die Herausforderungen sind also nicht nur im bautechnischen Sinn groß. Vielmehr hat sich glücklicherweise der Anspruch vom lediglich funktionierenden Zweckbau in Richtung Identität und Kultur erweitert. Gutes Beispiel für die Kombination gesamtgesellschaftlicher Anforderungen ist ein ganzes Quartier in Holzbauweise, das auf dem Dach eines konventionellen Gebäudes inmitten Stockholms umgesetzt wurde. Dieser moderne Holzbau hat durchaus sinnstiftenden Charakter. So lässt sich mit hochwertigen und hochtechnischen Ausgangsprodukten moderner Wohnraum und zugleich eine gesunde lebenswerte Umgebung schaffen. „Hören Sie nicht auf ungewöhnlich zu denken“, forderte Dederich die Kollegen auf, „es gibt die Potentiale für den urbanen Holzbau. Diese immer wieder zu finden und für die Menschen ganzheitlich zu realisieren ist unsere lohnende Aufgabe“

Prof. Jörg Wollenweber Abt. Holzbau FH Aachen und Architekt nahm den Faden auf und referierte über die Notwendigkeit umfassend zu planen. Die Vorteile von Holz bei der Erschließung von Hinterhof-Grundstücken mit suboptimaler Zuwegung oder schwierigen, eigentlich als unbebaubar geltenden, Grundstückszuschnitten, sind unbestritten. Prof. Wollenweber: „Gerade in städtischen Strukturen eröffnet Holz bauliche Optionen, die mit Alternativmaterialien nicht umsetzbar wären“. Den Einsatz von Holz jedoch als alleinige Lösung für aktuelle sozioökonomische und ökologische Herausforderungen zu sehen, greift hingegen zu kurz: So müssen z.B. energetische Überlegungen den Dreiklang Effizienz, Suffizienz und Konsistenz beachten. Natürlich verringert der Einsatz von Holz grundsätzlich den Energiebedarf. Eine Sensibilisierung der Bauherren für die Bereitstellung regenerativer Energie und nicht zuletzt die Anpassung eigenen Verhaltens als Bewohner müssen jedoch ebenfalls immer Teil der über reine Materialität hinausgehenden Planungen sein. Nur die Kombination des möglichst weitgehenden Einsatzes von Holz mit sinnvollen technischen Maßnahmen und fundierten Überlegungen z.B. zur Exposition von Gebäuden schöpft die Potentiale des Baustoffs Holz letztlich aus.

Der Frage, warum in Mitteleuropa trotz großer Holzmengen nicht viel intensiver mit diesem Rohstoff gebaut wird, begegnete Dipl. Ing. Tobias Götz, Geschäftsführer von Pirmin Jung Deutschland, mit herausragenden Beispielen für den urbanen Holzbau. Die Anforderungen hinsichtlich Statik, Wärme-/Feuchteschutz, Bauablauf und gesicherten Kosten sind zwar vielgestaltig, jedoch klar beherrschbar. Der Schlüssel liegt für Pirmin Jung in der integralen Planung: “Der Holzbauingenieur mit seinem auf technische Umsetzbarkeit gerichteten Fokus ist zentrale Schnittstelle zwischen dem berechtigten ästhetischen Blick des Architekten auf ein Bauwerk und der kompetenten Ausführung durch den Holzbaubetrieb“. Brettsperrholz als eine Grundlage für monolithische Bauwerke mit flächigem Tragwerk bis zur Hochhausgrenze kommt nicht nur der vielfach gewünschten massiven Anmutung von Bauwerken nach, sondern zeigt darüber hinaus die Vorteile flexibler Grundrisse auf. Diese Anpassungsfähigkeit prädestiniert den Holzbau für gesellschaftspolitisch notwendige Gebäude mit gemischter Nutzung. Die Alters- und Bevölkerungsstruktur unseres Landes ändert sich. Generationenhäuser in Kombination mit Infrastruktur für die kommunale Daseinsvorsorge (Praxen, Kitas) sind nur eine Form, äußerst differenzierten und zudem wechlnden Nutzungsansprüchen zu begegnen.
Auf dem Weg zu mehr Holzbau in unserem Lebensumfeld gilt es gerade bei zunehmendem Preis- und Qualitätsbewusstsein der Investoren neben gesundheitlichen Assepekten mit dem Lebenszyklus eines Gebäudes zu argumentieren. Die Investitionssumme eines Bauwerkes ist immer gleichzeitig mit den Vorteilen der früheren Bezugsfertigkeit sowie dem geringeren energetischen Unterhalt und der Recyclierbarkeit eines Holzbaus zu kommunizieren.

Wurde der Holzbau im Zuge der Veranstaltung zunächst als Beitrag zum nachhaltigen Bauen und als Chance dem demographischen Wandel zu begegnen dargestellt, so referierte Dipl. Ing. Jörg Bühler, Leiter Fachberatung Holzbau, Holzbau Deutschland-Insitut e.V. über technische Details. Aus Sicht von Herrn Bühler ist die individuelle und neutrale Hilfestellung beim Planen und Bauen mit Holz - von prinzipiellen Fragen beim Gebäudeentwurf bis zum Detail in der Ausführung - von großer Bedeutung für den weiteren Erfolg des Holzbaus. Eine kompetente Beratung richtet sich an die gesamte Bandbreite der Architekten und Ingenieure, an öffentliche und private Bauentscheider, Lernende und Lehrende sowie Medienvertreter und hilft den jeweils aktuellen Stand des Wissens sicherzustellen. So erwachsen aus der Einführung neuer Normen wie beispielsweise den Eurocode 5 immer wieder vielfältige Fragestellungen. Eine sichere Wissensbasis unter den Fachleuten ist Voraussetzung um Vorurteile aufzulösen und Vorbehalten gegenüber dem Holzbau entgegenzutreten.

Die Erfahrung des Fachberaters bestätigte z.B. die mit der Einführung der neuen DIN68800 verbreiterten Möglichkeiten, im Holzschutz weitestgehend ohne chemische Mittel auszukommen. Jörg Bühler ermutigte die Kollegen “ Gemäß des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind Sie angehalten den konstruktiven Holzschutz chemischen Alternativen vorzuziehen. Nutzen Sie Möglichkeiten zur detailgenaueren Holzschutzplanung durch exakte Zuordnung der Holzbauteile in die differenzierten Gebrauchs- und Nutzungsklassen“.

Die abschließende Diskussion bestätigten den Ansatz des HKZR dem zunehmenden Trend zum Bauen mit Holz und damit einhergehenden Fachfragen mit einer Vielfalt an fachlicher Kompetenz bei den Referenten zu begegnen. So schloss der Moderator des Abends Axel Krähenbrink, Leiter des Holzkompetenzzentrums Rheinland mit der Ankündigung, ähnliche Tagungen zukünftig vermehrt anzubieten. Den Bedarf Holz einzusetzen, gibt es vor dem Hintergrund eines Bewusstseinswandels der Menschen, Ressourcen schonender zu leben, mehr als genug - und an die Architekten und Planer: “Erhalten und mehren Sie als Multiplikatoren Ihre Begeisterung für den Holzbau.

Bei aller Nachhaltigkeit und technischen Argumentation sind es die Emotionen, die letztlich zur Entscheidung für den Holzbau führen“.

Autor:
Holzi am 08. Sep. 2014 um 07:55 Uhr
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