Hochschule Rottenburg arbeitet an der Energiewende in Japan mit



2 Jahre und 8 Monate nach der Katastrophe von Fukushima und ein halbes Jahr nach dem Besuch der Regierungsdelegation um Ministerpräsident Kretschmann unterstützt die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) Japan dabei, durch die Nutzung von Waldbiomasse möglichst rasch, deutliche Beiträge zur dortigen Energiewende zu schaffen. Seit 2007 steht die Rottenburger Hochschule im fachlichen Austausch mit japanischen Kollegen. Dies zeigte sich unter anderem in zahlreichen Fachbesuchen aus Japan und mündete nun in zwei konkrete Kooperationsvereinbarungen mit renommierten Universitäten in Japan. Die Landesregierung Baden-Württemberg fördert dieses Engagement durch eine Stelle an der HFR.

Bei zwei „Deutsch-japanischen Biomassetagen“, die mit Unterstützung der Bundesregierung in Tokio und im nordjapanischen Morioka durchgeführt wurden, waren die Rottenburger Professoren Sebastian Hein und Bastian Kaiser in der ersten Novemberwoche in Japan, um die Bedeutung und Potentiale der Waldbiomasse als wichtigen Beitrag zur Lösung drängender Probleme zu erörtern. Anders als in Deutschland spielt die energetische Nutzung landwirtschaftlicher Biomasse in Japan bislang so gut wie keine Rolle. Und auch die Nutzung der Biomasse aus Wäldern steht noch ganz am Anfang, ist jedoch angesichts des mit 70 Prozent der Landesfläche sehr hohen Waldanteils eine aussichtsreiche Perspektive für die Energiewende und als Perspektive für die bislang vernachlässigten ländlichen Räume Japans.
Nach dem Erdbeben und dem verheerenden Tsunami im März 2011 fiel in der Region Iwate die Stromversorgung mehr als zwei Monate fast völlig aus. Die überlebende Bevölkerung der kühlen, waldreichen Region in der Nähe der früheren Olympiastadt Sapporo besann und bediente sich in dieser Notsituation des Holzes als Brennstoff und erfuhr damit unmittelbar, wie wichtig eine dezentrale Energieversorgung mit den vor Ort verfügbaren Ressourcen sein kann.

„Es war bewegend, welche Dankbarkeit die betroffene Bevölkerung im Tsunami Gebiet und der Provinzhauptstadt Morioka gegenüber dem Holz als Nothelfer zum Ausdruck brachte.“, berichtet Professor Hein, „Dies und einzelne solarbetriebene Lichtinseln in den völlig dunklen Nächten nach der Katastrophe bleiben sicher noch lange unvergessen.“

Das mag einer der Gründe dafür sein, dass die Regierung von Ministerpräsident Abe zwar daran denkt, einige der stillgelegten 54 Kernkraftwerke wieder ans Netz zu bringen, aber gleichzeitig über die Staatliche Forstagentur versucht, die energetische Nutzung der heimischen Waldbiomasse für eine sichere, dezentrale Energieversorgung zu forcieren. Auch für den raschen Wiederaufbau der zerstörten Wohnhäuser ist das heimische Holz ein wichtiger und theoretisch in großer Menge verfügbarer Rohstoff. Alleine in der Provinz Iwate werden noch immer 35.000 Menschen den dritten Winter nach der Katastrophe in Behelfswohnungen verbringen müssen. Jetzt rächt es sich, dass Japan seine Forstwirtschaft fast 60 Jahre lang völlig vernachlässigt hat: Das benötigte Rundholz wurde überwiegend importiert, auch aus Deutschland. Für die ländlichen Gebiete im nordjapanischen Katastrophengebiet kommt erschwerend hinzu, dass der Tsunami die Infrastruktur und zahlreiche Unternehmen weitgehend zerstört hat und dass zahlreiche, heute dringend benötigte, heimische Fachkräfte am 11. März 2011 zu Tode kamen oder in andere Regionen des Landes abgewandert sind.

Die nun durchgeführten beiden Expertenforen waren überwiegend technischen Fragen der Energienutzung (Konversion) gewidmet. Sie zeigten, dass die Industrienation Japan zwar bei der Entwicklung von Biomasse-Kraftwerken, -heizzentralen und –kesseln gut vorankommt und auch auf importierte Technologien zurückgreifen kann, aber gerade im Aufbau einer leistungsfähigen Forstorganisation, einer nachhaltigen Waldnutzung, einer konkurrenzfähigen Holzwirtschaft und in der Biomassenutzung noch erhebliche Anstrengungen unternehmen muss. Denn ohne diese, nur vor Ort zu schaffende Voraussetzungen kann keine noch so effiziente Technologie zu Wärme oder Strom führen.

Die HFR unterstützt diese Anstrengungen durch Beratungen vor Ort, die Organisation und Betreuung von Informationsreisen japanischer Forst-, Holz- und Bioenergieexperten nach Baden-Württemberg und durch eine enge Zusammenarbeit mit renommierten Universitäten in Japan. Die Unterzeichnung von gleich zwei Kooperationsvereinbarungen mit den Universitäten Kagoshima und Iwate im Rahmen dieser Reise ist eine wichtige Grundlage für diese Arbeit und zeugt vom großen Vertrauen der japanischen Kollegen in die Kompetenz an der HFR. Das inzwischen gewachsene und belastbare Netzwerk bis hinein in die Regierungskreise Japans ein anderes. So empfingen der für die Nutzung der Wälder zuständige Vize-Minister im Land- und Forstwirtschaftsministerium, Yoshitsugu Minagawa, sowie der Chef der Staatlichen Forstagentur, Masotoshi Numata, die beiden Professoren aus Rottenburg zu einem Meinungsaustausch. Man kennt sich schon seit 2012, als Herr Minagawa selbst noch Chef der Staatlichen Forstagentur und Herr Numata sein Stellvertreter war. Der zentralen staatlichen Forstorganisation also, die für die 25 Millionen Hektar Wald in Japan zuständig ist, einer Waldfläche, die etwa zweieinhalb Mal so groß ist wie die in Deutschland.

Auch Baden-Württemberg setzt für die Umsetzung seiner im Rahmen der Ministerpräsidentenreise diesen Jahres gemachten Zusagen auf die Kompetenz der HFR: Das Land finanziert zunächst für zwei Jahre eine eigens für die Koordination der forstwissenschaftlichen Beratung Japans eingerichteten Stelle in Rottenburg.

„Dies wird uns sicherlich helfen, den Erwartungen unserer Partner in Japan besser gerecht werden und das, was wir dort für unsere Energiewende lernen und erfahren können besser aufbereiten und in hiesige Konzepte einbringen zu können“, ist sich Rektor Kaiser sicher, „hier wie dort geht es um eine effiziente Zusammenarbeit von Forschung und Praxis, die Aus- und Fortbildung geeigneten Personals.“

Autor:
Holzi am 19. Nov. 2013 um 09:51 Uhr
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