Nach der Veröffentlichung einer Mitteilung der Europäischen Kommission zu den Berufsregelungen äußert sich der Westdeutsche Handwerkskammertag irritiert über die unsachgemäße Vorgehensweise, die fehlerhafte Interpretation von vorliegenden Studien und die mangelnde Berücksichtigung der negativen Erfahrungen der Handwerksnovelle 2004.
Am Mittwoch hat die Europäische Kommission eine Mitteilung veröffentlicht, die darauf abzielt, binnen zwei Jahren sämtliche Berufszugangsregeln in Europa zu überprüfen und zu bewerten. Betroffen sind Berufe, deren Ausübung an den Besitz einer besonderen Qualifikation geknüpft oder bei denen die Berufsbezeichnung geschützt ist. Dazu gehören auch handwerkliche Berufe, die einer Meisterpflicht unterliegen, bei denen also laut Gesetz der Betriebsinhaber oder Betriebsleiter Handwerksmeister oder gleichwertig qualifiziert sein muss.
Ziel der Kommissionsinitiative ist, transparent zu machen welche Berufe in den Mitgliedstaaten wie reglementiert sind und nach Möglichkeit zu erwirken, dass die national vorgeschriebenen Qualifikationsanforderungen aufgehoben werden. Die Europäische Kommission verspricht sich von der Dereglementierung ein Mehr an Wirtschaftswachstum und Fachkräftemobilität.
Der Westdeutsche Handwerkskammertag kritisiert die Mitteilung. Hauptgeschäftsführer Reiner Nolten erklärt:
»Die Mitteilung war lange angekündigt. Trotzdem kommt sie zur Unzeit. Sie dient der Umsetzung einer Richtlinie, die noch nicht verabschiedet ist und die zum Zeitpunkt des Beginns der Überprüfung, im November 2013, noch nicht in Kraft getreten sein wird. Die Europäische Kommission drückt hier aufs Tempo. Das geht zu Lasten der Sache. Bereits im Mai 2014 sollen die Bewertungen für eine erste große Gruppe unterschiedlicher Berufe vorliegen, unter anderem für die Bauhandwerke. Der Zeitplan ist angesichts der Vielzahl der Berufe, der Komplexität der Materie und der systemischen Bedeutung weder realistisch noch seriös.
Wir wissen, dass die Europäische Kommission von der Annahme ausgeht, Zugangsbeschränkungen wirkten sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Wir halten das in der Allgemeinheit für falsch und fühlen uns, gerade was die Bauhandwerke betrifft, von einer von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie bestätigt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die nationalen Qualifikationsanforderungen je nach Branche unterschiedlich wirken. Für die deutschen Bauhandwerke stellte sie sogar eine tendenziell positive ökonomische Wirkung der Reglementierungen fest.«
WHKT-Hauptgeschäftsführer Nolten beurteilt das Verhalten der Europäischen Kommission als ignorant. Die Ergebnisse der Handwerksnovelle 2004, welche Ausbildungsplätze abgeschafft, tarifliche Arbeitsplätze gefährdet und Scheinselbstständigkeit gefördert habe, belegen, dass eine weitere Liberalisierung der Handwerksordnung nur in die falsche Richtung führen könne.
»Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass es gute Gründe für die Qualifikationsanforderungen gibt, die der Meisterpflicht zugrunde liegen und dass die Meisterpflicht ein ausgewogenes, differenziertes System ist, das einer vernünftigen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Ob die von der Europäischen Kommission vorgegebenen Kriterien den Vorgaben der Berufsanerkennungsrichtlinie entsprechen, wird zu prüfen sein. Die gegenseitige Evaluierung darf keinesfalls zum Basar für Qualifikationen und Bildungssysteme werden. Wir werden für den Erhalt des Meisters kämpfen.«
Eine Zusammenfassung der Studie hat der Westdeutsche Handwerkskammertag veröffentlicht unter www.handwerk-nrw.de/fileadmin/user_upload/hp_whkt/downloads/service/whkt...
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