Beuys hat den Forschern einen Schatz vergraben



Dass ausgerechnet Aktionskünstler Joseph Beuys der Forstwissenschaft einen unschätzbaren Dienst erweisen würde – wer hätte das gedacht? Doch es war so, bestätigt Prof. Dr. Thorsten Gaertig, der gestern Abend in Hannover den Niedersächsischen Wissenschaftspreis 2015 in der Kategorie Hochschule erhalten hat.

Gaertig, Forscher und Dekan an der Göttinger HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement, beschäftigt sich mit der Frage, wieviel Sauerstoff Baumwurzeln zum Atmen brauchen. Eines seiner Forschungsareale ist besagtes Kunstwerk von Beuys: das Landschaftskunstprojekt „7000 Eichen - Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“, bei dem der Künstler in Folge der documenta 7 in Kassel Anfang der 1980er Jahre 7000 Bäume an Standorten unterschiedlichster Bodenbeschaffenheit gepflanzt hat.

„Beuys hat uns Forschern einen Schatz vergraben, indem er die Bäume zu einem definierten Zeitpunkt an unterschiedlichen Standorten gepflanzt hat. Damit haben wir jetzt in Kassel sehr viele gut vergleichbare Untersuchungsobjekte, an denen wir arbeiten können. Diese Tatsache hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir heute wissen, wie stark der Verdichtungsgrad oder die Versiegelung des Bodens sein darf, damit die Bäume gesund wachsen können“, erläutert Gaertig, der an der HAWK in Göttingen Bodenkunde und Stadtökologie lehrt.

Das Forschungsgebiet des 52-Jährigen, das sich vor allem mit dem Verständnis des Bodengashaushalts und der nachhaltigen Sicherung natürlicher Lebensgrundlagen befasst, stellt für Niedersachsen ein Alleinstellungsmerkmal dar, heißt es unter anderem in der Begründung des Wissenschaftsministeriums zur Auszeichnung. „Die Bedeutung einer funktionierenden Bodenbelüftung wird sehr klar, wenn man sich vor Augen führt, dass Bäume 25 bis 50 Prozent ihrer im Kronenraum produzierten Stoffe in Wachstum und Atmung der Wurzeln investieren. Der zur Wurzelatmung benötigte Sauerstoff muss jedoch durch die Bodenporen aus der Atmosphäre nachgeliefert werden. Störungen der Bodenbelüftung führen zu verringerter Wurzelintensität und einer erhöhten Offenheit für weitere Schadfaktoren, die bis zum Absterben von Bäumen führen können“, umreißt Gaertig sein Thema.

Seine Forschungsaktivitäten seien klar auf das Ziel fokussiert, Belüftungsstörungen im Boden zu diagnostizieren und Maßnahmen zum Erhalt beziehungsweise zur Wiederherstellung ausreichender Bodenbelüftung bei Stadt- und Waldbäumen zu entwickeln, um die Lebenserwartung der Bäume in Städten und Wäldern zu verlängern. Diesen Forschungsansatz verfolgt Gaertig seit seiner mit dem Pfizer-Forschungspreis ausgezeichneten Dissertation, die er 2001 am Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg abgeschlossen hat.

In dem BMBF-Verbundprojekt „Testkit“ entwickelte seine Arbeitsgruppe Methoden, mit denen bodenmechanisch vorbelastete Bodenareale in Wäldern schnell und einfach lokalisiert werden können. Wenn die riesigen Forstmaschinen beim Transport von Baumstämmen den Boden verdichten, entstehen häufig tiefe Rinnen auf den sogenannten Rückegassen. Oftmals sind die verdichteten Fahrlinien aber nach einigen Jahren nicht mehr sichtbar. Bei „Testkit“ ging es darum, diese Fahrlinien anhand der speziell dort wachsenden Pflanzenarten aufzuspüren und gegebenenfalls wieder zu nutzen, damit nicht immer neue Gassen angelegt werden und ungestörter Boden verdichtet wird.

Bei dem AGiP- Forschungsschwerpunkt „RÜWOLA“, der in Kooperation mit der Hochschule Osnabrück durchgeführt wird, geht es um die Entwicklung von praktischen und planerischen Maßnahmen, um Bodenfunktionen auf Rückegassen nachhaltig zu sichern. Ziel des Projektes ist zum einen, die Wirkung wurzelintensiver Pflanzen auf die Tragfähigkeit der Böden bei Belastung durch Forstmaschinen zu prüfen. Zum anderen sollen das natürliche Regenerationspotenzial der Böden systematisch erfasst und standortangepasste Verfahren zur biotechnischen Unterstützung der Waldbodenregeneration entwickelt werden.

Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld von Professor Gaertig beschäftigt sich mit der nachhaltigen Sicherung des Baumbestandes in Städten und dient zugleich einer verbesserten Verkehrssicherheit. Im AGiP-Forschungsschwerpunkt „Städtischer Wurzelraum“ sind theoretische und wissenschaftliche Grundlagen erarbeitet worden, um mit innovativen Technologien die Wurzelsysteme und Standortverhältnisse von Stadtbäumen zu untersuchen. Durch die neuartigen Methoden zur Beurteilung des Gashaushaltes im Wurzelraum von Stadtböden ist es heute möglich, Schäden an Gehölzen zu vermeiden und Gefahren durch Bäume für den Straßenverkehr zu minimieren.

Nicht zuletzt hebt das Wissenschaftsministerium Gaertigs Beitrag zum Transfer der Wissenschaft in die Gesellschaft hervor, zum Beispiel die regelmäßigen Vorträge und die Kooperation mit dem Theodor-Heuss-Gymnasium in Göttingen unter dem Titel „Baum@Schule“.

Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic hat Thorsten Gaertig den Niedersächsischen Wissenschaftspreis am Donnerstagabend bei einer Festveranstaltung im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover vor zahlreichen Gästen aus Wissenschaft und Politik überreicht. Auch das HAWK-Präsidium und Vertreterinnen und Vertreter der Fakultät Ressourcenmanagement nahmen an der Feier teil.

Mit Gaertig erhält zum dritten Mal ein Forscher der HAWK den Wissenschaftspreis Niedersachsen, der seit 2007 vergeben wird. Gleich im ersten Jahr erhielt HAWK-Vizepräsident Prof. Dr. Wolfgang Viöl von der Göttinger HAWK-Fakultät Naturwissenschaften und Technik den Wissenschaftspreis für seine Plasma-Forschung. Im Jahr 2013 wurde Prof. Dr. Ulrich Harteisen für seine Forschungen zu Fragestellungen der nachhaltigen Regionalentwicklung sowie der Veränderungsprozesse, die der demografische Wandel mit sich bring

Autor:
Holzi am 20. Nov. 2015 um 08:55 Uhr
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