Fichte oder Tanne – wer wird den Klimawandel am besten überstehen?



Die Bergwälder der Nordalpen übernehmen wichtige Aufgaben für Mensch und Umwelt. Dazu zählen der Schutz vor Naturgefahren, das umweltschonende Bereitstellen von Ressourcen und das Bewahren der biologischen Vielfalt. Diese Funktionen für die nächsten Generationen zu erhalten ist für Bürger, Behörden und Wirtschaft der Region eine Überlebensfrage. Bisher fehlten Forstpraktikern, Waldbesitzern und Forstbetrieben aber flächendeckende Standortinformationen, auf deren Grundlage sie den Klimawandel berücksichtigen und den Wald optimal bewirtschaften können.

Das EU-Forschungsprojekt WINALP (Waldinformationssystem Nordalpen) hat diese Lücke geschlossen: Für alle Waldflächen der Bayerischen und Nordtiroler Kalkalpen sowie für ein Pilotgebiet im Salzburger Land liegen ab sofort digitale Waldtypenkarten im Maßstab 1:25.000 vor, die die in den Bergwäldern herrschenden Umweltbedingungen dokumentieren. Auf dieser Basis können Forstpraktiker, Waldbesitzer und Forstbetriebe heute schon die Risiken von morgen einplanen und den Bergwald für das nächste Jahrhundert entsprechend gestalten.

Leistungsfähigkeit von Bergwäldern bestimmen

Gerade für die Wirtschaft der Alpenregionen, die verstärkt auf hochwertige Holzverarbeitung, aber auch auf Holzheizkraftwerke setzt, ist die ausreichende Verfügbarkeit des Rohstoffs Holz von großer Bedeutung. Daher ist es wichtig, Standorte für die nachhaltige Holzproduktion zu finden, an denen sich die natürlichen Potenziale optimal nutzen lassen und bestehende Nutzungen so zu gestalten, dass alle Waldfunktionen langfristig erfüllt werden können. Aus der neuen Waldtypenkarte können Forstpraktiker, Waldbesitzer und Forstbetriebe ablesen, welche Wälder auch in Zukunft leistungsfähige potentielle Holzlieferanten sind.

Folgen des Klimawandels: weniger Fichten, mehr Laubhölzer und Tannen

Die Auswertungen, die WINALP in den letzten drei Jahren durchgeführt hat, lassen erwarten, dass die heimischen Baumarten in den Nordalpen auch bei einem moderaten Temperaturanstieg von 2°C ihre Aufgaben sehr gut erfüllen können. In den höheren Lagen wird sogar eine Verbesserung der Wuchsbedingungen für die meisten Baumarten, die heute unter Wärmemangel leiden, prognostiziert. In den bereits heute relativ warmen tieferen Alpentälern und am Alpenfuß werden sich dagegen die Wuchsbedingungen für die heute über weite Strecken vorherrschende Fichte verschlechtern. Zunehmende Wärme und längere Trockenperioden begünstigen den Borkenkäferbefall und gefährden dort bereits jetzt und künftig zunehmend die Stabilität von Reinbeständen dieser Baumart. Von der Schwächung der Fichte wird in erster Linie die Buche profitieren, die jedoch vor allem in schneereichen Wintern nicht alle Schutzfunktionen optimal erfüllen kann. Deshalb wird auf diesen Standorten die Erhaltung und Förderung der Weißtanne als weniger dürreempfindlicher Nadelbaumart besonders empfohlen. Angesichts der verbleibenden Unsicherheit bezüglich Klimaprognosen und Reaktion der Wälder sollte zur Risikostreuung ein Mischwald mit mehreren standortgemäßen Baumarten als zukunftssicheres Portfolio angestrebt werden. „Wir hoffen, dass die von WINALP erarbeiteten Daten den Waldbewirtschaftern helfen werden, die gemischten Bergwälder in den Nordalpen langfristig wiederherzustellen und zu erhalten, da dies eine Grundvoraussetzung für das ökologische und ökonomische Überleben dieser Region ist“, sagt Prof. Dr. Jörg Ewald, Koordinator und Leadpartner des EU-Forschungsprojektes WINALP, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Waldtypenkarte als langfristig gültige Informationsquelle

Die Wissenschaftler von WINALP haben alle verfügbaren Daten zu Gestein, Böden, Relief und Klima in einem Geographischen Informationssystem (GIS) gespeichert. Die angewandten Methoden sind reproduzierbar, können aktualisiert werden und sind somit auch in Zukunft eine langfristig gültige Informationsquelle für die Waldbewirtschafter. Die Forscher berechneten aus den vielfältigen Kombinationen der natürlichen Standortfaktoren Waldtypen, die ein vergleichbares Angebot an Wärme, Wasser und Nährstoffen aufweisen. Ein eigens angelegtes Netz von Stichproben am Boden sorgte für die Überprüfung und Optimierung der Rechenmodelle. Auf diese Weise waren die Wissenschaftler zehnmal schneller als bei einer flächigen Begehung und Kartierung der Bergwälder und konnten die Kosten um das Siebenfache reduzieren. Da die Forscher ihre Modelle nach einheitlichen Regeln berechnen, kann die Waldtypenkarte bei Bedarf an geänderte Umweltbedingungen wie den Klimawandel angepasst werden.

Die Einheiten der Waldtypenkarte, insgesamt über 100, werden in einem Handbuch erläutert, das zuständigen Forstverwaltungen und staatlichen Forstbetrieben eine wesentliche Entscheidungshilfe bei Planung und Beratung bietet. Für jeden Waldtyp zeigt das Handbuch, wie viel Wärme, Nährstoffe und Wasser zur Verfügung stehen und welche Baumarten von Natur aus vorkommen. Zudem werden standörtliche und waldbauliche Informationen wie zum Beispiel zum Wuchspotential, zur Baumarteneignung und zu besonderen Gefährdungen praxisgerecht aufbereitet angeboten.

Grenzüberschreitende Forschung durch EU-Finanzierung

Ermöglicht durch die Förderung aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) im Programm INTERREG IV A – Europäische Territoriale Zusammenarbeit, liegt die neue Waldtypenkarte nicht nur für eine kleine Region, sondern flächendeckend und grenzüberschreitend für die Bayerischen Alpen, die Nordtiroler Randalpen und Teile der Salzburger Alpen vor. In WINALP fand ein intensiver grenzüberschreitender Austausch im Rahmen von Anwendertreffen und internationalen Tagungen statt. Gemeinsam mit erfolgreichen Vorgängern hat dieses EU-Projekt erreicht, dass heute von Südtirol bis Bayern vergleichbare Geographische Informationssysteme und Waldtypenkarten existieren. "Durch die fachliche und länderübergreifende Zusammenarbeit konnte eine einheitliche Grundlage für alle Nutzer im Alpenraum geschaffen werden, welche für viele Fragestellungen der Zukunft eine hervorragende Basis darstellt", so Landesforstdirektor Josef Fuchs vom Amt der Tiroler Landesregierung, Gruppe Forst.

Weitere Hintergrundinformationen zum EU-Projekt WINALP finden Sie unter http://www.winalp.info.

Autor:
Holzi am 14. Sep. 2011 um 04:23 Uhr
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