Trotzen die Bäume in Mitteleuropa dem Klimawandel?



Über 200 Forschende aus Europa und Übersee treffen sich dieser Tage in Zürich, um die neusten Erkenntnisse auszutauschen zum Thema „Klimawandel: Wie reagieren die Bäume in den Wäldern Mitteleuropas?“. Eine zentrale Frage ist: Wie können wir Wälder so gestalten, dass sie ihre vielfältigen Aufgaben weiterhin erfüllen können? Ein Begriff fällt dabei immer häufiger: Plastizität – die Anpassungsfähigkeit des Waldes an Veränderungen in der Umwelt. Organisiert wird die Konferenz von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL zusammen mit mehreren Partnerinstitutionen.

Plastizität ist der wegweisende Begriff, wenn es um Wald und Klimawandel geht, davon ist Thomas Wohlgemuth überzeugt, Leiter der Gruppe Störungsökologie an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Der Geobotaniker leitet das Organisationsteam der internationalen Konferenz ClimTree 2013 „Klimawandel: Wie reagieren die Bäume in den Wäldern Mitteleuropas?“, die vom 1. bis 5. September 2013 in Zürich stattfindet. Kein Wunder, dass die Anpassungsfähigkeit der Wälder eine wichtige Rolle bei den zahlreichen Vorträgen spielt. Zur Konferenz eingeladen haben WSL, ETH Zürich und das Bundesamt für Umwelt BAFU.

„Im Rahmen des Klimawandels wird vor allem die vermehrt auftretende Trockenheit grosse Herausforderungen an unsere Wälder stellen“, erläutert Thomas Wohlgemuth. „Aber in den vergangenen Jahren haben wir beobachtet, dass der Wald auf die bisherigen Extremereignisse wie den Sommer 2003 erstaunlich plastisch reagiert hat, also eine gewisse Anpassungsfähigkeit zeigt.“ Bäume und Wälder können vorübergehende Versorgungsengpässe wie Trockenheit überstehen, zum Beispiel mithilfe eines tiefreichendes Wurzelwerks und über die Einschränkung der Verdunstung. Im Extremfall können Blätter oder Nadeln abgeworfen werden, damit der Wasserverlust möglichst gering bleibt. Langfristig dürften sich Wälder zudem durch die Veränderung der Artenzusammensetzung an neue Umweltbedingungen anpassen.

Der Wald von morgen: mehr Laub, weniger Nadeln

Die Forschung blickt heute vorsichtig zuversichtlich in die Zukunft des Waldes. Zumindest für den mitteleuropäischen Raum erwartet sie keine unmittelbaren Katastrophen. „Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass sich das Waldbild in den kommenden Jahrzehnten nachhaltig verändern wird“, sagt Thomas Wohlgemuth. Wälder werden an trockenen Orten weniger dicht wachsen und weniger Biomasse erzeugen. Baumarten wie die Eiche oder die Douglasie, die tolerant gegenüber Trockenheit sind, dürften empfindlichere Baumarten zurückdrängen – etwa die Fichten und Föhren in den Tieflagen. Und Laubwälder werden voraussichtlich das Landschaftsbild in den tieferen Lagen immer stärker prägen.

Trotzdem: Die Fähigkeit der Wälder sich anzupassen ist begrenzt. Verändert sich die Umwelt in einem derart raschen Tempo, wie es für das 21. Jahrhundert erwartet wird, werden mehrere Baumarten an ihre Grenzen stossen. „Die beiden forstlich wichtigsten Baumarten in Europa – Buche und Fichte – können Trockenperioden nur begrenzt abpuffern“, erklärt Heinz Rennenberg, Professor für Baumphysiologie an der Universität Freiburg im Breisgau. „Anhaltende Trockenperioden führen an bereits heute trockenen Orten, wie zum Beispiel auf flachgründigen Kalk-Standorten, zu grossen Problemen, da dort Nährstoffe ohnehin nur begrenzt aufgenommen werden. Auf solchen Flächen können Bäume zunehmenden Wassermangel langfristig nicht kompensieren.“

Eine drängende Fragen ist daher: Wie können wir die Wälder gestalten, dass sie trotz des Klimawandels ihre vielfältigen Funktionen weiterhin erfüllen können? Wälder schützen vor Naturgefahren, produzieren Holz , liefern sauberes Trinkwasser, reinigen die Luft, mildern die Klimaerwärmung, bieten Erholungsraum für Menschen und Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Thomas Wohlgemuth empfiehlt aufgrund des heutigen Wissens baumarten- und strukturreiche Wälder. Denn je vielfältiger ein Wald, desto höher ist seine Anpassungsfähigkeit und desto widerstandsfähiger ist er gegen klimatische Extremereignisse.

Von der Forstwissenschaft in die Waldpraxis

Vor allem im Waldmanagement, wo der Zeithorizont häufig 100 Jahre und mehr beträgt, müssen die Weichen für die Zukunft früh gestellt werden. „Aus Sicht des Bundes ist es zentral, dass die Kantone und Waldeigentümer Instrumente erhalten, mit welchen sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse anwenden können“, betont Rolf Manser, Leiter der Abteilung Wald am BAFU. „Ziel des Forschungsprogramms ‚Wald und Klimawandel‘ von BAFU und WSL ist es, das nötige Grundlagenwissen für politische und forstliche Entscheidungsträger zu entwickeln und entsprechende Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen. Wissenschaftliche Tagungen wie die Konferenz ClimTree liefern dazu wichtige Beiträge.“

Dem Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis kommt somit zunehmend eine tragende Rolle zu. „Eine fundierte forstliche Ausbildung auf akademischem Niveau, wie sie die ETH Zürich bietet, ist in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig“, fügt Harald Bugmann, Professor für Waldökologie an der ETH Zürich, hinzu. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass neue Forschungserkenntnisse den Weg in die Praxis finden. Sei es, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Waldökosysteme und die Waldwirtschaft abzuschätzen oder um Strategien zu entwickeln, wie die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegen die Folgen höherer Temperaturen und ausgeprägter Trockenheit erhöht werden kann.

Besseres Verständnis dank Langzeitbeobachtung

Die grosse Bedeutung der Plastizität von Wäldern wirft zahlreiche neue Fragen auf: Welche Baumarten können sich flexibel anpassen und unter welchen Bedingungen? Wie schnell und mit welchen Mechanismen gelingt ihnen die Akklimatisierung ? Ab wann nimmt die Produktivität ab und erhöht sich die Sterberate? Um solche Fragen beantworten zu können, müssen Forschende viele Jahre in die Vergangenheit zurückschauen, denn die Walddynamik ist ein langsamer und langfristiger Prozess.

„Die Datenreihen der Langzeitbeobachtung der WSL sind daher von unschätzbarem Wert“, erklärt Andreas Rigling, Mitglied der Direktion der WSL. „Seit mehreren Jahrzehnten erfassen wir zum Beispiel in den Programmen Landesforstinventar LFI und Langfristige Waldökosystemforschung LWF, wie der Wald auf Veränderungen der Umwelt reagiert.“ Mit diesen Grundlagen konnten die Forschenden bereits wichtige Erkenntnisse über die Widerstandkraft von Wäldern gewinnen, welche von zentraler Bedeutung für die Abschätzung der zukünftigen Waldentwicklung sind. Die Konferenz ClimTree wird nun ein weiterer Meilenstein sein, um die Anpassungsfähigkeit der Wälder besser zu verstehen und zielgerichtet zu fördern.

Autor:
Holzi am 09. Sep. 2013 um 14:05 Uhr
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