Ein gutes Design muss sich nicht unbedingt durch teure Materialien, auffällige Farbkombinationen oder eine extravagante Linienführung auszeichnen. Das machte der diesjährige Gestaltungswettbewerb „die gute form - Tischler gestalteten ihr Gesellenstück“ deutlich, den der Fachverband des Tischlerhandwerks NRW in der Handwerkskammer zu Köln ausrichtete. Ausgezeichnet wurden harmonische und vor allem ausgewogene Möbelstücke.
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Dies gilt besonders für den ersten Platz, die Anrichte von André Tüpker aus Westerkappeln, der im Betrieb seines Vaters Wilhelm seine Lehre absolvierte. Die Jury bezeichnete sein weißlackiertes Möbel mit einem Innenleben aus Nussbaum als „eine hervorragend gemachte Studie über Dimension und Proportion“. Graues Glas teilt das Möbel in der Vertikalen. Durch einen horizontalen Einschnitt scheint die Anrichte zu schweben. Die Griffleisten aus Metall sind fein dimensioniert und sorgfältig angeordnet. „So einfach und selbstverständlich dieser Griff funktioniert“, urteilte die Jury, „so perfekt ist er in die Gesamtwirkung des Möbels eingebaut.“
Auf die Gesamtwirkung kam es André Tüpker bei der Planung seines Gesellenstücks besonders an. „Die Grundidee war, dass die Leute davor stehen und sich fragen, warum funktioniert das.“ Sechs Monate lang hat der 29-Jährige an den Details seines Gesellenstücks gefeilt, bis er mit allem zufrieden war. Sein jetziger Beruf wurde ihm als Tischlersohn fast schon mit in die Wiege gelegt. „Von klein auf durfte ich mit in die Werkstatt, zu all den coolen Maschinen.“ Trotzdem hat er nach dem Abitur erst einmal Innenarchitektur studiert, bevor er mit seiner Ausbildung begann. Heute ist er im Betrieb seines Vaters vor allem in der Arbeitsvorbereitung tätig. Irgendwann will er auch seine Meisterprüfung machen und den Familienbetrieb weiter fortführen.
Eine familiäre Vorbelastung gibt es bei Christian Thorand aus Aachen nicht. Er wollte Bauingenieur werden. Doch das Studium war ihm zu theoretisch. Über ein Praktikum kam er zu seinem Ausbildungsbetrieb, der Kerz Innenausbau GmbH in Stolberg. Sein Gesellenstück, ein Hängesideboard, war eigentlich ein Schnellschuss, erzählt der 25-Jährige. „Es war unsicher, ob ich im Winter oder erst im Sommer Prüfung mache. Dann hieß es plötzlich Winterprüfung, und ich hatte vier Wochen Zeit, mir etwas einfallen zu lassen.“ Wegen der knappen Zeit sollte es ein „ganz einfaches Sideboard“ werden. Doch der Chef puschte ihn. Heraus kam der zweite Platz beim Landeswettbewerb.
Origineller Einfall
Das Hängesideboard überzeugte die Jury vor allem durch seinen „gelungenen Kontrast zwischen Holz- und Lackoberfläche“. Ein großzügig angelegter Rahmen, in Nussbaum furniert, fasst einen matt-schwarzen Korpus ein. Rechts und links verfügt das Sideboard über zwei Auszüge, in der Mitte lässt sich eine Klappe öffnen. Sie wird durch einen rechteckigen Ausschnitt in der Frontplatte bedient. Der Ausschnitt ist dabei Rahmen für ein eingelegtes Foto, das nach Belieben ausgewechselt werden kann. „Ein origineller Einfall“, befanden die Juroren, „der dem Stück Identität und Persönlichkeit verleiht.“ Nach so viel Erfolg will Christian Thorand seinem Handwerk auch langfristig treu bleiben. „Vielleicht mache ich die Meisterausbildung. Ich bin für alles offen.“
Ohne störende Beschläge
Für alles offen war auch Philipp Falkenstein aus Sankt Augustin nach seinem Schulabschluss. In den Ferien hatte er schon bei der Brzesowski GmbH gearbeitet. Der Chef bot ihm eine Lehrstelle an. Für sein Gesellenstück hatte der 21-Jährige dann schon klare Vorstellungen. „Ich wollte keine Beschläge. Die finde ich störend.“ Da in seinem Ausbildungsbetrieb viel mit HPL-Schichtstoffen gearbeitet wird, hat er dieses Material auch für sein Gesellenstück verwendet, mit dem er beim Wettbewerb „die gute form“ den dritten Platz belegte. Bei dem weißen Sideboard mit einem Innenleben aus Kirschbaum handelt es sich nach Aussage der Jury um ein Möbelstück, „das seine Qualitäten erst bei genauer Betrachtung preisgibt“. Die schwarzen Fugen des Möbels bildeten eine ruhige und ausgewogene Linienführung, „der das Auge folgt, ohne an eine Störung zu geraten.“
Wie man an seinem Gesellenstück sieht, hat Philipp Falkenstein seinen Beruf lieben gelernt. „Irgendwas lässt einen nicht mehr los, wenn man vor dem ersten selbstgebauten Schrank steht.“ Was er in Zukunft machen will, weiß der Tischlergeselle jedoch noch nicht. Im Moment macht er sein Fachabitur.
Zeitlebens qualifizieren
Dass das Ende ihrer Lehrzeit nicht das Ende ihrer Lernzeit sei, daran erinnerte Alfred Jacobi, der Vorsitzende des Fachverbandes Tischler NRW, die Preisträger und Teilnehmer in seinem Grußwort. Tischler müssten sich heute zeitlebens immer wieder auf den neuesten Stand bringen, müssten sich qualifizieren und spezialisieren. „Aber was gibt es Spannenderes als sich mit etwas Neuem auseinander zusetzen und an den Herausforderungen zu wachsen.“ Alfred Jacobi dankte all jenen, die sich für die Ausbildung im Tischlerhandwerk engagieren und so dafür sorgen, dass die zukünftigen Gesellen auf ein gutes Fundament zurückgreifen können. Dazu gehörten neben den Ausbildungsmeistern und Berufsschullehrern auch die Obermeister und Lehrlingswarte der Innungen. Außerdem dankte Alfred Jacobi der Jury, die die rund 50 eingereichten Gesellenstücke kritisch begutachtet hatte. In der sechsköpfigen Jury saß neben Tischlern, Designern und einem Redakteur des Fachmagazins dds erstmals auch der neue Gestaltungsberater des Fachverbandes Tischler NRW, Hans Christoph Bittner, der die Preisverleihung in der Handwerkskammer zu Köln organisiert hatte. Die Juroren vergaben in diesem Jahr keine zusätzliche Belobigung. „Die Qualität war in diesem Jahr so hoch, dass wir sehr viele Belobigungen hätten aussprechen müssen“, erklärte Hans Christoph Bittner.
Die drei Sieger konnten sich über Geldpreise in Höhe von 750, 600 und 500 Euro sowie einen Gutschein für ein Weiterbildungsseminar des Fachverbandes freuen. Christian Thorand und André Tüpker dürfen ihre Gesellenstücke auch noch auf dem Bundeswettbewerb im Mai 2009 in Hannover präsentieren. Vielleicht können die beiden ausgewogenen und harmonischen NRW-Gesellenstücke im nächsten Jahr auch die Bundesjuroren überzeugen.
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