Holzindustrie kritisiert neues Naturschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen



Der Landesnaturschutz in Nordrhein-Westfalen ist unübersichtlich geworden, seit das Bundesnaturschutzgesetz 2010 in Kraft trat und sich Richtlinien überlagern. Die im Juni vorgelegte Novelle des Landesgesetzes sollte Abhilfe schaffen. Das Ergebnis stößt bei der Holzindustrie jedoch auf große Unzufriedenheit. Der Gesetzesentwurf klammere die Akteure von Forst und Holz komplett aus, kritisieren die Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher e.V. (AGR) und der Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband e.V. (DeSH) in einer gemeinsamen Stellungnahme.

"Liest man den Gesetzesentwurf, bekommt man unweigerlich den Eindruck, Forstwirtschaft spiele keine Rolle mehr im Wald ", sagt DeSH-Geschäftsführer Lars Schmidt. Die Novelle suggeriere, der Wald müsse vor dem Menschen geschützt werden. Für die Verbände unverständlich: "Die naturnahen Wälder in Deutschland sind Ergebnis einer generationenübergreifenden, verantwortungsvollen Waldwirtschaft." Der Entwurf sei der enttäuschende Beweis, dass der jahrzehntelangen guten fachlichen Praxis kaum Anerkennung und Vertrauen entgegengebracht werde. "Waldbesitzer sowie Forst- und Holzwirtschaft werden nun mit massiven staatlichen Eingriffen wie Stilllegungen, Reglementierungen, Informationspflicht und Enteignungsszenarien konfrontiert, während Eigentümerrechte gestrichen und demokratischer Mitsprache hohe Hürden gesetzt werden", kritisiert Schmidt. Die im neuen Landesnaturschutzgesetz verankerte exklusive Beteiligung von Naturschutzverbänden zeuge davon, dass die politische Diskussion nun mehr allein von Akteuren geführt werden solle, die die Multifunktionalität des Waldes völlig ausblenden.

Biodiversität nicht in Quadratmetern messen

Die Handschrift sei mehr als deutlich, meint auch AGR-Geschäftsführer Dr. Denny Ohnesorge: "In der Novelle werden an allen Stellen offen oder verklausuliert Flächenstilllegungen ohne wissenschaftliche oder fachliche Begründung vorbereitet." Beispielsweise können Biosphärenregionen oder Nationalparke von den Naturschutzbehörden per Rechtsverordnung ausgewiesen werden. "Der Verweis, es handele sich hierbei um eine 'unwesentliche Entscheidung', verkennt die Bedeutung der demokratischen Meinungsbildung vor Ort." Unfundiert sei auch die Ausweitung der Biotopfläche von 10 auf mindestens 15 Prozent der Landesfläche: "Die Erweiterung, die schlicht und pauschal mit dem Schutz der Biodiversität begründet wird, ist für uns nicht nachvollziehbar und nicht wissenschaftlich belegt."

In Nordrhein-Westfalen bestehen bereits Nutzungseinschränkungen auf 11 Prozent der Waldfläche. Dass Stilllegungen nicht automatisch zu einer größeren Artenvielfalt führen, belegen Studien, die zeigen, dass in einem nachhaltig und naturnah bewirtschafteten Wald die Artenzahl deutlich höher ist. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Verbände inakzeptabel, dass kontinuierlich weitere Nullnutzungsflächen ausgewiesen würden, ohne in einem ersten Schritt die Wirksamkeit und Effizienz vorhandener Schutzflächen objektiv zu erfassen und ohne ernsthaft Alternativen zu prüfen. "Die Politik misst Biodiversität leider nach wie vor in Quadratmetern ‒ Biodiversität ist jedoch mehr als die Anzahl der Quadratmeter unter einer Käseglocke", so Ohnesorge.

Mehr Bürokratie, weniger Beteiligung

Ohnehin zeuge der Gesetzesentwurf von sehr einseitigen Entscheidungsprozessen, meint auch Schmidt: "Der intendierte Bürokratieabbau fand leider nur dort statt, wo es für die Naturschutzbehörde dienlich war." Erst ab einer kritischen Beschwerdemasse von 50 Personen würden Einwände gegen Landschaftspläne gewürdigt. Auf der anderen Seite seien Unternehmen und Forstbetriebe zu umfassender Datenerhebung und Informationsübermittlung bezüglich ihrer Flächen verpflichtet ‒ "ohne Rücksicht auf Datenschutz oder Betriebsgeheimnisse", kritisiert Schmidt. Die geplante zentrale Datenbank über Zustand und Entwicklung der Biodiversität sei für Waldbesitzer und Forstunternehmen mit enormem Aufwand und hohen Kosten verbunden.

Ein Dorn im Auge ist der Holzindustrie auch die offensichtliche Ungleichbehandlung von Verbänden. Unterlagen sollen gemäß dem Entwurf teilweise nur Naturschutzvereinigungen überlassen werden. "Warum hier zwischen Interessengruppen unterschieden wird, ist für uns unverständlich und nicht hinnehmbar", sagt Ohnesorge. Generell habe der Gesetzgeber mit den Formulierungen in der Novelle Naturschutzvereinigungen weitaus mehr Mitwirkungsrecht eingeräumt als anderen Verbänden. Mitwirkungsrechte seien aber nur dann sinnvoll, wenn sie im Gleichgewicht aller Interessen und Fachexpertisen stünden. Entsprechend müssten Beiratsgremien ein ausgeglichenes Interessenverhältnis aufweisen.

Dogma Flächenschutz muss hinterfragt werden

Alles in allem lege der Gesetzesentwurf in Nordrhein-Westfalen die Missverhältnisse beim Naturschutz in Deutschland exemplarisch offen und müsse dringend nachjustiert werden, konkludieren AGR und DeSH. Die Politik folge ohne wissenschaftliche Grundlage den einseitigen Forderungen der Naturschutzverbände. Alternativen zum Flächenschutz würden überhaupt nicht erst in Betracht gezogen. Biodiversität verkomme so zur reinen Floskel. "Uns geht es nicht um die Frage, ob Naturschutz im Wald sinnvoll ist und ob Artenschutz betrieben wird, sondern wie man zielgerichtet und ressourceneffizient allen Nutzungsansprüchen gerecht wird. Solange die Biodiversitätsstrategie derart unausgegoren bleibt, können schlicht keine Bezüge untereinander hergestellt werden", so Schmidt. Nordrhein-Westfalen laufe Gefahr, das Gleichgewicht im Wald durcheinander zu bringen. Für die Volkswirtschaft hätte dies weitreichende Folgen, mahnen die Vertreter der Holzindustrie abschließend. Noch sei jedoch Zeit, den Gesetzesentwurf nachzubessern, bevor er in die Ausschüsse und danach in den Landtag gehe. "Wir hoffen im Sinne der Multifunktionalität des Waldes, dass auch unsere Expertise Berücksichtigung in der Neugestaltung des Naturschutzgesetzes erfährt."

Autor:
Holzi am 07. Sep. 2015 um 07:46 Uhr
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