Das traditionelle Handwerk schlittert in eine handfeste Nachwuchskrise. Lösungen und Modelle dies zu verhindern wurden von über 150 Teilnehmern aus Berufsbildung, Praxis und Wissenschaft beim ersten bundesweiten Bildungskongress des Stuckateurhandwerks in Berlin unter dem Motto „Brücken bauen für eine bessere Bildung“ diskutiert.
Vor allem das Modell Azubi-Trainer bestimmte die Diskussion des Kongresses. Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Ausbau und Fassade im ZDB, dem Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade Rutesheim (Komzet) und mit finanzieller Unterstützung durch die Sto-Stiftung konzipiert und durchgeführt.
Zu Beginn charakterisierte Professor Klaus Hurrelmann, Leiter der aktuellen Shell-Studie, die Generation im Alter zwischen 12 und 25: Die Lebensplanung der Jugendlichen ist zielloser als früher, die Abbrecherquote bei Ausbildungen hoch. Das Bauhandwerk muss sich auf die 40 Prozent der Jugendlichen konzentrieren, deren Bildung Lücken aufweist, die sozial bedingt Probleme verdrängen und gewaltbereit sind. Um sie zu gewinnen, schlussfolgert Hurrelmann, muss die Wirtschaft sich stärker und frühzeitiger in Haupt- und Realschulen engagieren, zum Beispiel durch Bildungspatenschaften und Schülerfirmen. Der Bau gilt immer noch als „Branche für Übriggebliebene“, daher ist gezieltes Marketing wichtig.
Junge Frauen müssen durch Betonung der künstlerisch-kreativen Aspekte stärker für die Branche begeistert werden. Gerade sie sind wichtig für die Zukunft des Handwerks, überzeugen sie insgesamt durch höhere Bildungs- und Entwicklungsbereitschaft.
Fachspezifische Eignungstests und Schnupperpraktika zeigen, ob Beruf, Unternehmen und Azubi zusammen passen. Doch auch in der schulischen Ausbildung muss ein Umdenken erfolgen. Die Teilnehmer sprachen sich für handlungsorientiertes Lernen am praktischen Projekt aus und für eine stärkere Verknüpfung der Lerninhalte von Berufsschule und Überbetrieblicher Ausbildung. Stuckateure sind maßgeblich am energieeffizienten Bauen beteiligt, daher ist Weiterbildung für sie eine lebenslange Aufgabe. Durch modulare Zusatzqualifikationen werden innovative Entwicklungen, wie die Klimadecke, bereits in der Ausbildung vermittelt.
Um den Azubi nicht nur fachlich, sondern auch persönlich zu betreuen, entwickelte das Komzet das Modell des Azubi-Trainers. Dabei wird dem Lehrling ein erfahrener Geselle zur Seite gestellt, der ihn durch die Ausbildung begleitet. Oliver Vana (37) vom Stuckateurbetrieb Albi im badischen Hüfingen ist seit drei Jahren Azubi-Trainer und berichtete: „Auf dem Weg zur Baustelle oder in der Pause spreche ich mit meinem Azubi, frage wie es ihm geht, ob er Probleme hat.“ Vana bringt seine Berufs- und Lebenserfahrung ein, außerdem wurde er in drei halbtägigen Seminaren geschult. Einmal jährlich trifft er sich mit anderen Trainern, tauscht Erfahrungen aus, denn auch er lernt dazu.
Aktuell betreut er Adem Günli, Azubi im ersten Lehrjahr: „Mit seinen Schulnoten hätte er wenig Chance auf die Ausbildung gehabt, aber er bewies im Praktikum seinen eisernen Willen und erkämpfte sich den Platz.“ Selbstbewusst forderte sein junger Schützling die Anwesenden auf, mehr Mut zu neuen Ausbildungskonzepten zu zeigen und betonte, dass eine fundierte Ausbildung die beste Strategie gegen Drogen und Kriminalität ist. Dadurch konnten die badischen Stuckateurbetriebe, entgegen dem bundesweiten Trend, seit drei Jahren die Abbruchquote fast auf Null senken. Konrad J. Richter, Sto-Stiftungsrat Handwerk, sieht darin eine große Chance: „Das Modell ist auch in anderen Gewerken beispielsweise bei Malern sinnvoll, denn die Nachwuchskrise macht vor keiner Branche halt.“
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